„Wiesn-Welle“ schon spürbar? „Nahezu alle Kliniken in München melden sich von Notfallversorgung ab“
Die Fallzahlen in München steigen rasant und Hinweise auf ein Anrollen der „Wiesn-Welle“ mehren sich. Ausbaden müssen das die Münchner Kliniken und das Gesundheitspersonal.
Update vom 30. September, 12.38 Uhr: Das Oktoberfest nähert sich dem Ende, der 3. Oktober ist der letzte Tag des größten Volksfestes der Welt. Indes schwappt die Wiesn-Welle bereits in Münchens Kliniken. Im Rotkreuzklinikum München etwa bemerkt man bereits eine Zunahme der positiven Patienten und der positiven Mitarbeiter. „Dies führt zu weiteren Stationssperrungen durch fehlende Mitarbeitende und damit auch zum (erneuten) Aufnahmestopp für planbare Patienten“, sagte Dr. med. Johannes Maxrath, Chefarzt Notfallzentrum mit Präklinik im Rotkreuzklinikum München, tz.de. „Nahezu alle Kliniken in München melden sich derzeit von der Notfallversorgung ab.“

Seit Monaten sei man bereits wegen der Gesamtentwicklung besorgt. Eine Verschlechterung der Lage sei zu erwarten. „Wir gehen von einer weiteren Verschlechterung der allgemeinen Akutversorgung bei fehlenden Krankenhauskapazitäten aus“, so der Mediziner weiter. „Es gibt sieben Intensivbetten, die Stand heute alle belegt sind. Sieben weitere Betten könnten wieder ans Netz, wenn uns ausreichend Pflegepersonal zur Verfügung stehen würde“, so der Chefarzt.
Wiesn-Welle in Münchens Kliniken? „Mit Situation umgehen, die nicht zu verhindern war“
Erstmeldung: München - Es ist die erste Wiesn seit Beginn der Corona-Pandemie. Bislang kamen wegen des nasskalten Wetters zwar weniger Besucher als noch im Jahr 2019, dennoch waren es nach acht Tagen bereits über drei Millionen Menschen aus aller Welt. Für Experten kaum überraschend stieg die Corona-Inzidenz in München zuletzt stark an. Mit rund zwei Wochen Verzögerung schwappt die „Wiesn-Welle“ auch in Münchens Kliniken, die haben die Lage trotz personeller Herausforderungen aber im Griff.
Corona-Inzidenz in München steigt um 172 Prozent im Vergleich zur Vorwoche
Die Sieben-Tage-Inzidenz hat sich in der zweiten Woche nach der Eröffnung der Wiesn in München bereits vervielfacht: 695,8 bestätigte Fälle pro 100.000 Einwohner gab es in der bayerischen Hauptstadt am Donnerstag. Das geht aus Zahlen des Robert Koch-Instituts hervor und entspricht einem Anstieg um mehr als 172 Prozent innerhalb von einer Woche. Ein Zusammenhang zum Oktoberfest lässt sich nicht beweisen, liegt allerdings nahe. Eine ähnliche Entwicklung hatte es auch bei anderen Volksfesten bereits gegeben - etwa beim Gäubodenfest in Straubing.
Ein Städtevergleich zwischen den Inzidenzen von München, Berlin, Hamburg und Frankfurt am Main liefert ein weiteres Indiz für einen Zusammenhang zwischen Wiesn und Corona-Welle. Die Fallzahlen in München stiegen seit dem Beginn der Feierlichkeiten demnach überproportional im Vergleich zu anderen Großstädten.
Wiesn-Welle: So ist die Lage in Münchens Kliniken
Der Anstieg der Coronazahlen sei allen Beteiligten im Vorfeld des Oktoberfests klar gewesen, hieß es von der Pressestelle des LMU Klinikums in München am Mittwoch auf eine tz.de-Anfrage. „Dazu haben ja auch Gespräche des Münchner Gesundheitsreferates mit den Kliniken im Vorfeld stattgefunden. Da der politische und gesellschaftliche Wunsch vorhanden war, die Wiesn zu veranstalten, müssen wir aktuell mit dieser Situation umgehen, zu verhindern war sie nicht“, so eine Pressesprecherin. Derzeit zeige sich der Anstieg von Covid-Patienten vor allem im Allgemeinstationsbereich, die Intensivstationen des LMU Klinikums seien momentan nur wenig belastet. „Ende der Woche werden die Inzidenzen in München Wiesn-bedingt voraussichtlich deutlich ansteigen“, lautete die Prognose der LMU Klinik. „Beim Gäubodenfest hat sich zum Ende des Festes ein Anstieg der Inzidenzen um etwa den Faktor vier gezeigt. Überträgt man dies auf die Münchner Situation, dann können wir Inzidenzwerte um 800 bis 1000 Anfang Oktober erwarten“, so die Pressesprecherin weiter.
Es sei nicht ungewöhnlich, dass sich in den Herbst- und Wintermonaten mehr Menschen mit Atemwegserkrankungen anstecken - auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sagte eine Sprecherin des Klinikums rechts der Isar am Mittwoch der tz.de. „Wir stehen aktuell aber vor keiner akuten Überlastung und können unsere Patienten und Patientinnen wie bislang jederzeit bestmöglich versorgen.“ Festzuhalten sei jedoch, dass die Covid-19-Pandemie insbesondere die personelle Situation im Gesundheitswesen zusätzlich verschärft habe, hieß es vom Klinikum rechts der Isar weiter. Die Auslastung der Intensivbereiche sei unabhängig von Covid-19 hoch. „Am Universitätsklinikum rechts der Isar behandeln wir aktuell insgesamt 50 Patienten und Patientinnen mit einer SARS-CoV-2 Infektion, davon drei auf unseren Intensivstationen“, so die Sprecherin weiter.
Die München Klinik behandelt derzeit rund 120 Patienten und Patientinnen im Zusammenhang mit Corona. „Knapp zehn Prozent auf Intensiv- und Überwachungsstationen“,teilte der Pressesprecher der München Klinik am Mittwoch mit. Die Zahl sei damit im Vergleich zur Vorwoche angestiegen. „Die steigende Inzidenz zeigt sich mit einem etwa zweiwöchigen Zeitverzug auch in den Klinikeinweisungen, daher ist bei weiter steigenden Inzidenzen auch mit steigenden Behandlungszahlen in den Krankenhäusern zu rechnen“, stellt sich die Lage aus Sicht der München Klinik dar. Ähnlich sehen das auch die Kollegen des LMU Klinikums: „Ein verstärkter Ausfall von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen durch Erkrankungen und Isolation im Nachgang zum Oktoberfest ist zu erwarten. Ob dies zu spürbaren Einschränkungen im Regelbetrieb führen wird, ist aktuell nicht vorhersehbar.“