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So bereitet sich der Wirt vom Weinzelt auf die Wiesn vor

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Von: Johannes Heininger

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Jäger und Sammler aus Leidenschaft: Wiesn Wirt Stephan Kuffler hat das, was vielen Fotografen fehlt: das Auge für das richtige Motiv. © Schmidt

Die Wiesn-Besucher kennen sie in Tracht als stolze Wirte – und Wirtinnen. Denn einige Zelte auf dem Oktoberfest stehen unter weiblicher Führung. Wir stellen die Herrscher des Wiesn-Bieres und ihre privaten Hobbys vor. Heute: Stephan Kuffler vom Weinzelt.

München - Wenn Stephan Kuffler (50) auf die Jagd geht, tut er das ohne Gewehr und Fernglas. Seine Trophäen tragen kein Geweih, er hängt sie aber trotzdem gerne an die Wand. Der Weinzelt-Wirt liebt die Fotografie und ist ständig auf der Suche nach neuen Motiven. Er sagt: „Da schießt Adrenalin durch den Körper.“ Wenn er sich mit Belichtung, Blendeneinstellung und Objektivwahl beschäftigt, ist Kuffler in einer anderen Welt – und kann den stressigen Wiesn-Alltag vergessen.

Dabei entdeckte er ausgerechnet auf dem größten Volksfest der Welt seine Leidenschaft fürs Fotografieren. „Ich habe hauptsächlich Feiernde in unserem Zelt fotografiert“, erinnert sich Kuffler. Seine Aufnahmen zeigte er Profi-Fotografen – ohne große Erwartung. „Aber die waren begeistert“, sagt der 50-Jährige. „Die musst du ins Netz stellen“, bekam er oft zu hören. Kuffler aber hatte seine Zweifel: „Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass sich jemand für meine Fotos interessiert.“ Ausprobiert hat er es trotzdem. Täglich erstellte er eine Galerie mit Party-Fotos auf der Homepage des Weinzelts. Die Klicks seien durch die Decke gegangen, sagt Kuffler. Plötzlich wollte sich jeder in der Bilderstrecke wiederfinden.

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Fertigmachen: Diese Bedienung freut sich auf einen neuen Tag auf der Wiesn.

Kuffler merkte schnell, dass er ein Gespür für Motive und Technik hat. Einen Hausfotografen brauchte er nicht. „Ich habe auch unsere Speisen fotografiert. Daraus haben wir Anzeigen und Prospekte gebastelt.“ Stephan Kuffler hat die Faszination gepackt, wollte tiefer in die Materie eintauchen. „Ich habe mich intensiv damit beschäftigt, mir Ratschläge von anderen Fotografen geholt oder mir Anleitungen im Internet angeschaut“, erzählt Kuffler. Der deutsche Fotograf Andreas Gursky, der für seine digitale Bildbearbeitung und Großaufnahmen bekannt ist, hat es ihm besonders angetan.

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Hundemüde: Diese französische Bulldogge hat Kuffler beim Dösen erwischt.

Am liebsten drückt der Hotelier, Gastronom und Wiesn-Wirt aber auf der Straße den Auslöser. Promis interessieren ihn nicht, im Fokus steht der Normalbürger. „Streetfotografie“ (engl. street für Straße) nennen das die Profis. Hier entdeckt Kuffler auf seinen Reisen um die Welt Land und Leute. „Menschen, die sich unbeobachtet fühlen, im Alltag zu fotografieren“, meint Kuffler, „reizt mich besonders“. Die Leute hätten einen ganz eigenen Charme, den er so gut es geht versucht, abzubilden. Auf seiner Homepage (www.picture-takery.com) zeigt Kuffler seine Begeisterung für Motive in Großstädten wie New York oder Miami. Wenn er mit seiner Familie unterwegs ist, prallen schon mal zwei Welten aufeinander. „Manchmal nerve ich wahrscheinlich ein bisschen“, sagt Kuffler und lacht. „Die bleiben an jeder Boutique hängen, ich kann mich dafür nicht von spannenden Motiven losreißen.“

Für Stephan Kuffler ist Fotografieren mehr als ein Hobby zur Entspannung: „Der Vorgang, ein Foto zu machen, hat auch etwas Erotisches“, sagt er. Speziell bei Kameras, an denen er vieles manuell einstellen müsse, könne er eine Beziehung zu den Motiven entwickeln. „Da bin ich total weg, da geht mir nichts anderes durch den Kopf“, sagt Kuffler – und es klingt wie eine Liebeserklärung.

Das Zelt in Kürze

Die Wirtefamilie

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Der Kuffler-Clan: Sebastian (von links), Doris, Stephan und Roland Kuffler.

Die Kufflers sind Spitzenreiter unter den Münchner Gastronomen und führen über 30 Betriebe deutschlandweit – unter anderem das Spatenhaus an der Oper, das Seehaus im Englischen Garten, das Mangostin und das Kuffler im Palais an der Oper. 1984 hat Roland Kuffler (80) das Weinzelt mit Frau Doris (77) übernommen. Sohn Stephan (50) ist seit 2000 Wiesn-Wirt, Sohn Sebastian (41) Betriebsleiter. Übrigens: Während sämtliche Wiesn-Wirte nach dem Scheitern der von Münchens 2. Bürgermeister Josef Schmid (47, CSU) geforderten Bierpreisbremse mehr Geld für die Mass verlangen, haben die Kufflers den Weiß- bier-Preis gegenüber 2016 nicht verändert.

Teil 1 der Serie: So bereitet sich die Wirtin des Löwenbräuzelts auf die Wiesn vor.